Wenn ich jetzt schreibe, dass es sich um italienischen Schlager mit Neoprog-
Elementen handelt, wird das dem Werk Randones nicht gerecht. Auch nicht,
wenn ich feststelle, dass es sich um ein italienisches Neoprog-Album mit
Schlagerelementen handelt. Das deutsche Wort "Schlager" ist einfach zu
negativ besetzt. Sagen wir lieber Chanson oder etwas, das dem im
Italienischen entspricht.
Die meisten Songs haben etwas Operettenhaftes, klingen ein wenig nach
Zuckerguss oder wie aus dem Elfenland. Das liegt sicher am sehr italienischen
Gesang, aber auch am häufigen Gebrauch von Streicherklängen und
Synthesizern. Die meisten Stücke sind in Midtempo gehalten, aber es kracht
auch schon mal eine Gitarre ("Morte di un amore").
"Visioni" ist das fünf-minütige Intro mit Gesang, dem ein doppelt so langes, mit
allerlei Soundeffekten gespicktes Outro am Ende des Albums entspricht
(Herztöne, rückwärts eingespielter Gesang etc.). Erstes "richtiges" Lied ist ein
Reggae, der aber den insgesamt recht ansprechenden Eindruck negativ
beeinflusst, weil er eigentlich nicht so recht zum Gesamtsound dieses Albums
passen will. "Tutte le mie stelle" ist eine Spur zu gewöhnlich, aber
wunderschön, während "L’infinito" einfach zum Herzzerreißen ist. Spätestens
ab "Un cieco" ist jedes Stück anspruchsvoller italienischer Neo-Prog mit
Kantatencharakter. Zwischen "Un cieco" und "La Giostra" verwendet Randone
Rundfunkaufnahmen aus der Nazi-Zeit und unterlegt diese mit
stimmungsvollen Tönen und erzielt damit den bekannten Roger Waters/Pink
Floyd-Effekt. Auch im Vorlauf zum letzten Song wird noch mal an der
Sendereinstellung des Radios gedreht, um wieder beim mittlerweile Bewährten,
diesmal in seiner pompös-symphonischen Form zu landen.
Bemerkenswert sind auch die Texte, die poetisch, tiefsinnig und oft düster sind.
Bei der erwähnten Soundcollage aus der Nazi-Zeit z.B. geht es um Auschwitz.
Es lohnt, die Texte auf der Homepage von Nicola Randone
(www.mortediunamore.it) nachzulesen, wenn man kein italienisch kann.
Und schließlich: ein Plus für das klassisch-römische Cover-Artwork!
Beeindruckend.
Fazit: Eine Scheibe, die mit jedem Song und jedem Hördurchgang an Profil
gewinnt.